Introduction

Die Frage nach dem Papa

Die Frage nach dem Papa

Ich habe bereits letztes Jahr darüber berichtet, dass der Papa unseren Sohn nicht kennenlernen mag. Er hatte sich die Abtreibung gewünscht. Wir waren nie ein Paar und deshalb kennen wir uns kaum. Er spielt in unserem Leben keine Rolle und doch wusste ich, dass sie eines Tages kommt: Die Frage nach dem Papa. Der Fragesteller war überraschenderweise nicht mein Sohn.

Wer stellt die Frage nach dem Papa

Mein engeres Umfeld weiß Bescheid und kennt die Geschichte meiner Reise nach Portugal. und fragt von Zeit zu Zeit nach, ob er sich inzwischen mal gemeldet habe.

Normalerweise stellen mir inzwischen nur noch fremde Menschen oder Ärzte die Frage nach dem Vater, nachdem sie erfahren, dass ich alleinerziehend bin. Da antworte ich humorvoll, dass der Vater in Portugal surfen sei. Das schockt dann und macht ein Stück weit mundtot. Das Thema ist somit schnell erledigt.

Jetzt aber bekam ich zum allerersten Mal die Frage von einem anderen Kind gestellt. Carlito, der 3,5-jährige Freund meines Sohnes, fragte plötzlich und unvermittelt aus dem Nichts. Die Frage nach dem Papa traf mich eiskalt und hinterließ Spuren.

Kann der Papa auch kommen?

Das fragte mich der kleine Carlito Sonntag nachmittags in der U-Bahn auf dem Rückweg von einem gemeinsamen Ausflug. Er meinte den Papa meines Sohnes. Er selbst lebt auch getrennt von seinem Vater, sieht in wöchentlich und so ist es für ihn völlig normal, dass er kommt und ihn abholt.

Völlig überrumpelt versuchten seine Mama und ich ein wenig auszuweichen und antworteten, dass er in einer anderen Stadt wohne. Carlito dachte kurz nach und fragte dann, ob er denn herkommen könne. Puh, mit dieser Frage hatten wir nun überhaupt nicht gerechnet. Wir sagten Nein und er wollte wissen, warum es nicht ginge. Darauf haben wir dann nicht mehr geantwortet und zum Glück kam dann auch die Station, bei der sie aussteigen mussten.

Mein Sohn sagte zu dieser Unterhaltung nichts, beobachtete nur und auch daheim griff er das Gespräch bisher nicht wieder auf. Ich bin sehr dankbar darum und verarbeite immer noch die Frage nach dem Papa.

Meine zurechtgelegte Antwort

Mithilfe von Beratungen, Sitzungen beim Therapeuten und Gesprächen mit befreundeten Familien hatte ich mir vorsorglich eine Antwort zurechtgelegt, warum der Papa nicht bei uns ist. Wenn mein Sohn dann die Frage stellt, wollte ich sagen: Es gibt Mama-Papa-Kind-Familien, Mama-Mama-Kind-Familien. Papa-Papa-Kind-Familien und es gibt die 2er-Teams. Wir sind ein 2er Team. Dein Papa und ich kannten uns erst kurz, als ich mit dir schwanger wurde. Wir waren beide im Urlaub und jeder ist wieder zu sich nach Hause gefahren danach.

Doch dann kam eben alles anders als in meinem theoretisch zurechtgelegten Masterplan. Wie das Leben so spielt. Ich frage mich inzwischen, ob ich mit zurechtgelegten Antworten überhaupt vorbereitet sein kann.

Der Papa will weiterhin abwesend bleiben

Im September hatte mein Sohn eine Phase, in der er ganz oft das Wort „Papa“ ausgesprochen hat. Weiter hat er nichts dazu gefragt oder gesagt. Es hat mein Herz sehr berührt und so schrieb ich seinem Vater.

Ich fragte ihn per E-Mail, was ich ihm über ihn erzählen solle und dass ich diese Entscheidung ihm überlassen wolle. Ich wollte, dass er selbst entscheidet ob und welches Bild sein Sohn über ihn haben darf. Zusätzlich fragte ich, ob er sich ein Treffen mit mir allein vorstellen könne, um darüber zu sprechen.

Was folgte war… nichts. Er antwortete nicht und auch meine Erinnerungsmail blieb unbeantwortet. Das war hart für mich. Ich hatte die leise Hoffnung, dass er offen für Begegnung ist, nachdem wir uns 3 Jahre nicht gesehen hatten. Er war es wohl nicht und scheint weiterhin abwesend sein zu wollen.

Letzte Woche hat er mir zudem mitgeteilt, dass er aus finanziellen Gründen den Unterhalt nicht mehr zahlen könne und ich mich mit dem Jugendamt in Kontakt setzen solle. Der nächste Schlag für mich. Die Beziehung vertieft sich also nicht, sondern das Gegenteil geschieht.

Die Frage nach dem Papa

Ich hatte mit derartigen Fragen nicht gerechnet. Kinder fragen so wunderbar offen & ehrlich und doch auch schonungslos. Carlito ist 10 Monate älter als mein Sohn und da habe ich jetzt deutlich den Unterschied gemerkt. Es war lehrreich und schmerzhaft zugleich. Ich brauchte einige Tage, um den Schmerz zu verarbeiten. Da spielt viel meine eigene Geschichte mit rein, denn sie wiederholt sich in gewisser Weise. Auch ich entstand in einer Art Affäre und auch mein Vater wollte mich nicht kennenlernen.

Brauchen Kinder einen Vater?

Ich glaube an eine natürliche Sehnsucht, die eigenen Wurzeln zu kennen. Wenn ein Elternteil den Kontakt verweigert, kann diese Sehnsucht keine Ruhe finden. Ich selbst habe das so erlebt und hatte große Schwierigkeiten, meine Identität zu finden bzw. unbeschwert auszubilden.

Meine Mutter wollte mir nie sagen, wer mein Vater ist. Erst im Teenageralter auf Druck vom Jungendamt erhielt ich ein Post-it mit Namen, Geburtsdatum und Adresse. Ich schrieb ihm mehrere Briefe und eines Tages meldete sich eine Halbschwester bei mir. Sie wollte mir helfen, unseren Vater kennenzulernen. Eines Tages durfte ich tatsächlich vorbeikommen. Ich lernte ihn, seine Frau und einige meiner Halbgeschwister kennen. Kurz darauf starb er an meinem 32. Geburtstag. Auch wenn wir uns kaum und nur kurz Kennenlernen konnten, habe ich nun ein Bild von ihm und dieses Thema durfte ein wenig Ruhe finden.

Für meinen Sohn wünsche ich mir, dass männliche Bezugspersonen in sein bzw. unser Leben kommen. Ich glaube, gerade für Jungs ist es wichtig, auch die männliche Energie auszuleben. Ich versuche ihm alles zu geben, was ich habe, aber besonders im körperlichen Rumrabauken komme ich mittlerweile an meine Grenzen. Mein Sohn ist sehr aktiv und klettert z.B. sehr gerne.

Ob das nun ein Herzens-Vater oder Leih-Opa oder eine Onkelfigur ist, ist erstmal egal. Hauptsache das Herz ist am rechten Fleck.

Aktuell sucht mein Sohn aktiv den Kontakt zu Männern auf Spielplätzen, in Biergärten oder aber er läuft in die Geschäfte, wie hier den Fahrrad-Laden in unserem Viertel und möchte mitarbeiten.

Ich habe kürzlich in einer Co-Parenting Gruppe einen Aufruf gestartet, ob jemand in unser Leben kommen mag. Ein homosexuelles Paar hat sich gemeldet. Ich bin gespannt, wohin der Kontakt führen wird.

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