Ein Familienleben in der Großstadt? Als Kind kannte ich das nicht. Im Gegenteil: Ich bin in einer Kleinstadt aufgewachsen – mit viel Natur und einem großen Garten. Vielleicht weiß ich gerade deshalb so genau, was ich an dem Familienleben in einer Großstadt wie München besonders schätze – und was mir für meine Kinder fehlt.
Vom Landei zur Großstadtmama: Mein Weg nach München
Nach meinem Schulabschluss verbrachte ich ein Jahr als Au-pair in New York City und schnupperte echte Großstadtluft. Danach wirkte meine Heimatstadt plötzlich viel zu klein. Ich wusste: Ich will zurück in die Großstadt.
Wegen meines Studiums entschied ich mich für München. Anfang 20, ungebunden und abenteuerlustig genoss ich das Nachtleben in vollen Zügen. Hier musste ich beim Feiern nicht auf Alkohol verzichten. Statt mit dem Auto konnte ich mit den Öffentlichen nach Hause fahren oder einfach laufen.
Dennoch haderte ich oft mit meiner Entscheidung. Sollte ich nochmal den Schritt in eine andere Stadt wagen, oder gar ein anderes Land?
Am Ende meines Studiums lernte ich meinem Freund kennen. Wir wollten beide nicht unbedingt in München bleiben – doch jobbedingt blieben wir. Dann wurde ich schwanger.

Heute leben wir mit zwei kleinen Kindern in einer zentrumsnahen Zweizimmerwohnung. Wir lieben das Stadtleben mit all seinen Möglichkeiten – und träumen doch manchmal von einem ruhigeren Ort im Grünen. Denn das Leben in der Großstadt hält für Familien auch viele Herausforderungen parat.
Schwanger in der Großstadt: Zwischen Feierkultur und neuen Prioritäten
Mit der Schwangerschaft veränderte sich mein Blick auf das Leben in der Großstadt. Plötzlich erschien mir vieles zu laut, zu hektisch, zu trubelig. Besonders beim Ausgehen wurde mir bewusst, welchen Stellenwert Alkohol hier hat – ob auf dem Weihnachtsmarkt, im Biergarten oder auf dem Oktoberfest.
Ich erinnere mich noch an meinen letzten Radler, kurz bevor ich meinen ersten positiven Schwangerschaftstest in den Händen hielt. Unwissend hatte ich in der Frühschwangerschaft Alkohol getrunken – danach natürlich nicht mehr. Zwar gingen wir, wie im Sommer für München üblich, wieder in den Biergarten. Doch als mein Freund diesmal aus Gewohnheit wieder ein Helles für mich bestellen wollte, verneinte ich. Es war der Beginn einer neuen Phase in unserem Großstadtleben.

Vor den Kindern etwa gehörte das Oktoberfest für uns zur Tradition. Doch als ich zum ersten Mal schwanger war, wurde mir klar, wie stark Feiern und Alkohol hier zusammengehören. Ohne Bier fühlt man sich auf der Wiesn fast fehl am Platz.
Heute hat sich unser Fokus verändert. Eine Wiesn ohne Alkohol? Möglich, aber anders. Wer nüchtern bleibt, erntet oft überraschte Blicke. Doch mit kleinen Kindern ist man ohnehin froh, am nächsten Morgen ohne Kater aufzuwachen.
Die ewige Suche: Von der Hebamme bis zum Krippenplatz
Das Familienleben in der Großstadt bedeutet vor allem eines: Suchen und warten. Schon mit dem positiven Schwangerschaftstest beginnt der Wettlauf um die besten Plätze. Eine Hebamme? Nach der achten Schwangerschaftswoche kaum mehr zu finden. Einen Platz in der Wunschklinik? Am besten noch mit positivem Schwangerschaftstest in der Hand reservieren. Auch der Kinderarzt sollte das Baby idealerweise schon vor der Geburt aufgenommen haben.
Und so geht es weiter – von der Rückbildung zur Krippe, von PEKiP bis FenKid. Ein ständiges Suchen, Warten und Bangen, ob man einen Platz bekommt – oft über Wochen oder sogar Monate.
Kreative Lösungen für wenig Platz
Seitdem unsere Familie gewachsen ist, sind auch unsere Bedürfnisse nach mehr Wohnraum gestiegen. Aber in München eine größere und bezahlbare Wohnung zu finden, ist schwierig. Wer nicht aus der Stadt herausziehen will, muss kreativ werden.
Altbauwohnungen bieten oft die Möglichkeit, in die Höhe zu bauen – doch dieses Glück haben wir leider nicht. Also bleibt uns nur, jeden Quadratmeter optimal zu nutzen. Jedes Jahr passen wir die Wohnung nach unseren Bedürfnissen an – sei es mit einem Hochbett mit integriertem Kleiderschrank oder einem Babybett auf Rollen.
Trotzdem bleibt das Leben auf engem Raum eine tägliche Herausforderung – besonders an trüben Wochenenden. Damit ich ungestört arbeiten, putzen oder die Wohnung organisieren kann, haben wir eine praktische Lösung gefunden: Jahreskarten für den Zoo Hellabrunn und das Deutsche Museum. Mein Partner nimmt die Kinder mit – während Alina im Kinderwagen schläft, kann unser Schulkind Neues entdecken. So schaffen wir kleine Freiräume im Familienalltag.

Freizeitgestaltung in der Großstadt
Trotz der Herausforderungen bietet München auch viele Vorteile für Familien, vor allem in der Freizeitgestaltung. In kurzer Zeit ist man in den Bergen oder an einem der vielen Seen. Neben der Isar gibt es zahlreiche Parkanlagen für kleine Auszeiten im Grünen und Spielplätze für die jüngsten Stadtbewohner.
Mütter- und Familienzentren bieten in fast jedem Stadtviertel Programme wie Schwangerschaftsyoga, Kanga oder Babymassage – eine wertvolle Unterstützung im ersten Babyjahr und gleichzeitig eine gute Gelegenheit, soziale Kontakte zu knüpfen.
Etliche Flohmärkte und Basare für Kinderkleidung und Spielzeug bieten eine gute Möglichkeit, nicht mehr benötigte Sachen weiterzugeben oder günstige Artikel zu finden. Oft wird das Stöbern bei einer Tasse Kaffee und selbstgebackenem Kuchen dann zu einem kleinen Familien-Event.
Bücher, Spiele, Tonies und DVDs können Kinder kostenlos in den Stadtteilbibliotheken ausleihen. Öffentliche Bücherschränke bieten eine tolle Gelegenheit, alte Kinderbücher loszuwerden oder in neuen Geschichten zu schmökern.
Ungewöhnliche Begegnungen
Das Leben in der Großstadt mag anonym sein, aber es gibt auch unerwartete Begegnungen. Die ältere Dame, die Alina beim Spazieren ein Plüschtier schenkt oder eine Frau, die unserer quengelnden Großen an der überfüllten Supermarktkasse eine Brezn bezahlt. Solche Begegnungen machen das Stadtleben besonders.
Doch nicht alle Erlebnisse sind positiv. Im Sommer mussten wir einem sichtlich betrunkenen Mann ausweichen, der Passanten anpöbelte. Solche Situationen sind leider ebenfalls Teil des Stadtalltags, die mich als Mutter schon nachdenklich stimmen.
Ich liebe die Großstadt mit ihren unzähligen Möglichkeiten, den ungewöhnlichen Begegnungen – und früher auch das Nachtleben. Doch der Alltag mit Kindern hat vieles verändert. Heute sehe ich nicht nur die Chancen, sondern auch die Herausforderungen für Familien: überfüllte Supermärkte, lange Wege und Wartezeiten sowie die angespannte Wohnungssituation. Trotz all dem ist München für uns ein Ort, an dem wir uns zu Hause fühlen.
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