Für mich sind jegliche Feiertage ohne Familie emotional fordernd. Es sind diese Tage, an denen ich merke, dass ich allein auf dieser Welt bin. Um mich herum kommt an feierlichen Anlässen natürlicherweise die Familie zusammen. Natürlich ist jetzt mein Sohn bei mir, aber es ist eben kein Erwachsener, mit dem ich mich auf Augenhöhe austausche. Der Wunsch nach Gemeinschaft, Nähe und einem festen Platz ist besonders an den Feiertagen groß.
Es war das 24. Weihnachten ohne Familie. Wenn ich diese Zahl lese, erschrecke ich mich ein wenig. Tatsächlich lebe ich bewusst ohne Familie, seitdem ich 16 Jahre alt bin. Die Feiertage ohne Familie zu verbringen, ist jedes Jahr aufs Neue eine riesige Herausforderung für mich. Es ist emotional fordernd an Pfingsten, Ostern, Geburtstagen und ganz besonders an Weihnachten.
Viele Gefühle im Dezember
Ich mag die Vorweihnachtszeit. Die vielen Lichter, die heißen Getränke und die Vorfreude, die zu spüren ist. Da sind viele positive Emotionen mit dieser Zeit verbunden. Es herrscht eine freudige Aufgeregtheit in der Stadt. Auf dem Land sind die schön dekorierten Dörfer und kleinen gemütlichen Weihnachtsmärkte wohlige Orte. Christstollen mit Marzipan essen und Tee trinken mag ich sehr gerne.
Dieses Jahr wurde auf einem Weihnachtsmarkt sogar Stockbrot angeboten und das habe ich natürlich meinem Kleinen gezeigt. Sehr schön, eine meiner Kindheitserinnerungen an ihn weiterzugeben.
Zugleich spüre ich aber auch eine Haltlosigkeit, weil ich (bzw. jetzt mein Sohn und ich) keinen festen Platz haben, an dem wir immer und bedingungslos willkommen sind. In stillen Momenten überkommt mich dann eine tiefe Traurigkeit. So begleitet mich im Dezember ein Wechselbad der Gefühle.
Über soziale Medien hatte ich von dem Verein „KeinerBleibtAllein“ erfahren. Dort werden unter anderem Menschen miteinander bekannt gemacht, die die Feiertage ohne Familie verbringen müssen oder möchten und sich Gesellschaft wünschen. Wir wurden auch mit jemandem „gematched“ aber haben keinen passenden Termin für ein Vortreffen gefunden und somit sind gemeinsame Feiertage nicht zustande gekommen.
Weihnachten feiern?
Ich war hin- und hergerissen, ob ich Weihnachten Raum gebe und überhaupt feiern möchte oder komplett ausfallen lasse. Würde meinem Sohn etwas fehlen, wenn wir nicht feiern? Es wäre eine Möglichkeit, unsere ganz eigene Tradition zu etablieren. Oftmals höre ich, dass wir ja nun auch zu zweit eine kleine Familie sind. Dennoch fühlt es sich für mich nicht so an und ich wünsche mir Zusammenkommen mit Lieben Menschen an diesen Tagen. Gemeinschaft, Liebe, Verbindung und Genuss – danach sehne ich mich an diesen Tagen.
Weihnachten als Kind für mich
Insgesamt sehr ambivalent. Ich erinnere mich mit einem warmen Gefühl, dass ich beim Krippenspiel mitgemacht habe. Ich hatte damals blonde Haare und war der Engel, der die frohe Botschaft verkündet hat. Verrückterweise kann ich den Text heute noch auswendig. Immer wieder erstaunlich, was sich das Gehirn merkt.
Ich bin katholisch „geprägt“ und war damals Messdiener. Damals war die Kirche ein Zufluchtsort für mich. Ein sicherer Hafen, in dem ich nicht geschlagen, eingesperrt oder terrorisiert wurde. Ohne meinen damaligen Glauben an etwas Höheres und die Möglichkeit, um Hilfe zu beten bzw. bitten, hätte ich nicht überlebt.
Nach der Kirche gab es daheim Essen und das Wohnzimmer wurde abgeschlossen, damit das Christkind die Geschenke bringen kann. Durch die Glastür war ein heller schein zu sehen. Ich weiß noch, dass ich wahnsinnig aufgeregt war. Das sind meine vorhandenen Erinnerungen. Und dass ich so lange am Tisch sitzen bleiben musste, bis dass ich aufgegessen hatte. Solche Regeln möchte ich meinem Sohn niemals auferlegen.
Religionen & Rituale
Heute bin ich keiner Religion zugehörig, aber gehe gerne in Kirchen oder über Friedhöfe. Es gibt mir Ruhe und Raum für innere Einkehr in turbulenten Zeiten.
Ich möchte meinen Sohn nicht einer Religion zuschreiben. Das kann er später selbst entscheiden und bis dahin lasse ich ihn nicht taufen etc. Somit hatte ich kurz überlegt, ob wir an Weihnachten in die Kirche gehen und an meine kindliche Tradition anknüpfen. Letztendlich habe ich mich dagegen entschieden.
Rituale habe ich keine, denn kein Feiertag gleicht dem des Vorjahres. Das finde ich einerseits spannend und der Raum ist offen für viel Neues. Auf der anderen Seite bringt das Nichtvorhandensein und der daraus resultierende Leere Raum auch eine gewisse innere Leere und Haltlosigkeit mit sich. Ich denke, es darf zukünftig eine Mischung aus Beidem sein.
Wir haben Weihnachten gefeiert
Ich bin mit einer starken Erkältung in die Weihnachtszeit gestartet. Somit herrschte eine gewisse Dumpfheit in mir. Vorteilhaft, weil ich negative Emotionen nicht so wahrnehme und nachteilig für die Begleitung meines Sohnes. Kita-Ferien von über 2 Wochen sind auch ohne Krankheit ein Kraftakt für mich.
Ich hatte den spontanen Impuls, den Tannenbaum aus der Kita mitzunehmen bzw. danach zu fragen. Wenn wir schon Weihnachten feiern, dann natürlich mit Baum. Das Team war einverstanden und ich bin kurzerhand mit dem Auto vorgefahren, um den geschmückten Baum nach Hause zu bringen.
Mein Sohn hat sich sehr darüber gefreut. Er sprang morgens aus dem Bett mit den Worten „Komm Mama, Oh Tannenbaum anschauen“. Das hat mich sehr gerührt und ich war froh um meine Entscheidung.
Den 24. Dezember haben wir ganz spontan auf dem Spielplatz mit einer befreundeten Familie begonnen. Eine andere Freundin kam spontan aus einem komplett anderen Stadtteil dazu und brachte mir selbstgemachte Bolognese und Knödel. Das hat mich sehr berührt. Mein Sohn und ich sind dann nachmittags heim, haben die Bolognese gegessen und uns direkt an das Geschenkeauspacken gemacht. Mit den leuchtenden Kinderaugen ist das wunderbar. Wir haben den Rest des Tages zu zweit verbracht und Weihnachtsmusik gehört, getanzt und mit den Geschenken gespielt.
Spontan hat sich kurz vor Weihnachten ergeben, dass eine befreundete Mama uns für den 1. Weihnachtsfeiertag zum Brunch eingeladen hat. Ihre Mutter war zu Besuch und hat sich ein wenig um die Kinder gekümmert, sodass ich mit meiner Freundin in Ruhe am Tisch sitzen konnte.
Für dieses Jahr wurden schon früh für den 1. Weihnachtsfeiertag zu meiner Freundin zum Abendessen eingeladen. Einen derartigen Anker im Vorfeld zu spüren, hilft mir sehr und gibt halt. Der Abend bei ihr und ihrem Freund war festlich elegant, mit Kerzenschein und klassischer Gans. Die Männer haben sich viel um meinen Sohn gekümmert und ich durfte ein wenig genießen.
Für den 2. Weihnachtsfeiertag hatten wir keine Einladung. Dann schrieb morgens eine Kita-Mama, ob wir mit ihnen spontan in den Tierpark gehen wollen. Wir zogen uns in Windeseile an und verbrachten gemeinsam den Vormittag im Tierpark. Mein Sohn und ich spazierten später allein die Isar entlang zu zweit heim und ich war sehr froh, dass wir die Tage „geschafft“ haben.
Somit waren wir in diesen Tagen von Gemeinschaft umgeben und das hat sich schön angefühlt. Ich bin dankbar für dieses spontane unkonventionelle und doch schöne Weihnachten.
Silvester ohne Familie fällt leichter
Silvester fällt für mich nicht unter die Kategorie der emotionalen Feiertage ohne Familie. Da ich nebenbei 20 Jahre in der Gastronomie gearbeitet habe, habe ich da meist gearbeitet oder mit Freunden gefeiert. Für dieses Jahr hatte mir eine befreundete Familie aus dem Viertel angeboten, dass mein Sohn das erste Mal bei ihnen schlafen dürfte und ich Silvester feiern könnte. Das Angebot hat mich sehr gerührt, denn genauso wünsche ich mir das Dorf in der Stadt. Letztendlich hat es nicht funktioniert, aber der Wille war da und das hat mich sehr gefreut.
Ich habe den Abend daheim gebracht und meinen Sohn früh ins Bett gesteckt ohne Mittagsschlaf. Das schafft er jetzt mit 2,5 Jahren an vereinzelten Tagen. Ansonsten schläft er erst zwischen 21.00 und 21.30 Uhr und da ist der Abend für mich im wahrsten Sinne des Wortes gelaufen. Nach der Einschlafbegleitung bin ich zu müde.
Ich hatte gedacht, dieses Silvester schreibe ich auf, was im alten Jahr noch gehen darf und was im neuen Jahr für Gefühle vorherrschen dürfen. Einfach ein wenig Journaling, Meditation und in Verbindung mit mir selbst in diesen Stunden. Die Realität sah dann so aus, dass ab 17.00 Uhr ein andauerndes Feuerwerk draußen zu hören war. So extrem wie dieses Jahr habe ich es noch nie empfunden. Es ging wohl vielen Menschen in München und Umland so, wie ich im Nachgang erfahren habe. Im Laufe des Abends wurde ich immer wütender und der Fluchtreflex war groß.
Feiertage ohne Familie
Ich bin gespannt, wie sich in diesem neuen Jahr die Feiertage ohne Familie für uns gestalten werden. Zudem sorgen die langen Kita-Schließzeiten in den Weihnachtsferien für zusätzliche Anspannung meines Nervensystems, sodass diese vielen Emotionen und die extreme Betreuungssituation sehr anstrengend für mich sind. Vielleicht sehne ich mich genau deshalb nach einem neuen Wohnort. Wohnen mit der Natur und in Gemeinschaft wäre wundervoll und entlastend. Gerne dazu einen neuer Partner und eine Patchwork-Familie und ein gemeinsames Weihnachten. Ich blicke erwartungsvoll auf die nächsten Monate und bin erstmal froh, dass wir die letzten Feiertage ohne Familie so gut rumgebracht haben und Liebe erfahren durften.
Ich wünsche ein gesundes, wachstumsreiches und liebevolles 2025 mit vielen schönen Erlebnissen.
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