Wie ein Baby

Schwarz-weiß Foto einer Frau, die traurig auf dem Bett liegt, mit dem Kopf auf ihren verschränkten Armen

Ich heule mir die Augen aus, weil mein Mann zum Baumarkt fährt. Es ist ein wunderschöner Sommermorgen. Ich füttere die Katzen, gieße die Blumen und freue mich über die Sonne. Nach dem Frühstück sagt mein Mann, dass er jetzt zum Baumarkt müsse. Und ich weine – wie ein Baby. Ohne es kontrollieren oder logisch erklären zu können. Ich kann nicht mit, habe noch etwas anderes zu erledigen.
Also bleibe ich zurück mit meinem irrationalen Kummer, der schon fast wieder komisch wirkt. Das sind dann wohl die berühmten Schwangerschaftshormone.

Ich nehme es bisher so wahr, dass hormonelle Prozesse der Natur meine Sinne in der Schwangerschaft öffnen, mich weicher und anhänglicher machen. Nichts auf der Welt beruhigt mich gerade so sehr wie der Geruch meines Partners.

Ob das Baby das später wohl auch so empfinden wird?

Man hört so viel vom Bonding, vom wichtigen Hautkontakt nach der Geburt und davon, wie Nähe und menschliche Wärme das Nervensystem eines Säuglings regulieren.

Und genau das erlebe ich offenbar jetzt schon – bei mir.

Ich hätte mich selbst immer als freiheitsliebend beschrieben. Ich bin gerne allein, genieße die Ruhe und das Alleinsein. Doch nun, mit der Schwangerschaft, beginnt eine neue Phase. Eine, in der Zuwendung, Liebe, Schutz und Nähe das sind, wonach ich mich am meisten sehne.

Emotional spürbare Hormone

Online habe ich schon viele witzige Videos gesehen, in denen sich schwangere Frauen über ihre plötzliche Anhänglichkeit wundern. Nichts riecht so beruhigend wie der werdende Vater – sagen sie. Und auch Frauen, die das sonst nicht von sich kennen, staunen über dieses starke Bedürfnis nach Nähe.

Das Schwangerschaftshormon Oxytocin steigert unser Bedürfnis nach Bindung und Körperkontakt. Progesteron macht uns emotional sensibler.

Oxytocin fördert emotionale Bindungen – zum Partner, zum wachsenden Baby, oft auch zur eigenen Mutter oder engen Freundinnen. Es lässt uns den Wunsch nach Familie und Geborgenheit deutlicher spüren.

Nach der Geburt wird Oxytocin durch Körperkontakt und Stillen weiter ausgeschüttet, stärkt die Mutter-Kind-Bindung und senkt den Stresspegel. Gleichzeitig verändert sich im Körper so vieles – und mit dem bevorstehenden neuen Lebensabschnitt stellt sich manchmal auch eine gewisse Unsicherheit ein. Das Bedürfnis nach Halt, Nähe und Beständigkeit wächst.

Täglich lese ich über all die Veränderungen in der Schwangerschaft – wie sich Hormone, Herz, Organe und sogar das Gehirn der werdenden Mutter anpassen

Nähe als Kraftquelle

Eine präsente, verständnisvolle Bezugsperson – sei es der Partner, eine Freundin oder Mutter – ist wohl das wertvollste, was man in dieser Zeit an seiner Seite haben kann.
Ist es nicht wunderbar, wie die Natur uns durch hormonelle Prozesse dazu bringt, Nähe zuzulassen, uns zu öffnen und bereit zu machen für ein Leben mit Kind – mit mehr Empathie und Hingabe?

Schwarz-weiß Foto von einem Paar, Hände der Beiden sind um den schwangeren Bauch der Frau gelegt
Foto von Andrea Bertozzini auf Unsplash

Ein Vorgeschmack aufs Elternsein

Mein Weinen über scheinbare Kleinigkeiten, mein gesteigertes Nähebedürfnis und meine intensive Emotionalität verursacht durch die Schwangerschaftshormone – all das ist wohl Teil von etwas Größerem und Wunderbarem. Und ich bin dankbar, das alles spüren zu dürfen.

Denn kaum kehrt mein Partner vom Baumarkt zurück, strahle ich über das ganze Gesicht. Wie ein kleines Kind, das sich freut, wenn Mama oder Papa wiederkommen.
Und ich kann es kaum erwarten, unser eigenes Kind eines Tages so zu sehen – wenn wir ihm diese Nähe und das Gefühl von Geborgenheit weitergeben.

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